Autonome Schiffe stechen bald in See

Der Mangel an qualifiziertem Personal, eine höhere Wirtschaftlichkeit und mehr Sicherheit sind die Gründe, auch bei der Seefahrt auf Auto­matisierung zu setzen. In 2018 sollen die ersten Schiffe mit autonomen Funktionen vom Stapel laufen.

Es ist keine Frage, ob es autonome Schiffe geben wird, sondern nur noch, wann. Dessen ist sich Oskar Levander, Vize-Präsident für Innovation in Marine-Anwendungen bei Rolls-Royce, sicher: „Die Technologien, um ferngesteuerte und autonome Schiffe Realität werden zu lassen, existieren längst. Wir werden ein ferngesteuertes Schiff im kommerziellen Einsatz bereits zum Ende dieser Dekade sehen.“ Das Unternehmen hat dazu unter anderem die Advanced Autonomous Waterborne Applications Initiative (AAWA) initiiert, an der mehrere finnische Universitäten, Unternehmen aus der Schifffahrtsbranche sowie die Klassifikationsgesellschaft DNV GL beteiligt waren – das Projekt endete im Juni 2017. Ziel der Initiative war es, die Technologien für ferngesteuerte und autonome Schiffe zu entwickeln.

Weltweit existieren ähnliche Projekte, wobei in der Regel kein vollständig autonomer Betrieb vorgesehen ist: Spätestens im Hafen beim An- und Ablegen soll der Mensch die Kontrolle wieder übernehmen. Er sitzt dabei allerdings nicht mehr auf der Brücke des Schiffes, sondern in einem Kontrollzentrum an Land. Von dort aus soll er in Zukunft auch die Schiffe im autonomen Betrieb, zum Beispiel wenn sie auf offener See sind, überwachen.

„Die Vorteile unbemannter Schiffe sind vielfältig, konzentrieren sich aber vornehmlich auf die Sicherung von Leben und die Reduzierung von Herstellungs- und Betriebskosten“, erklärt Brett A. Phaneuf, Geschäftsführer beim britischen Unternehmen Automated Ships. Laut einer Untersuchung der in München ansässigen Allianz-Versicherung sind zwischen 75 und 96 Prozent der Schiffsunfälle auf Fehler der Besatzung zurückzuführen, oft ein Ergebnis von Übermüdung. Ferngesteuerte oder autonome Schiffe würden dieses Risiko deutlich reduzieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Schiffe mit höherer Ladekapazität und geringerem Windwiderstand konstruiert werden können. Denn ohne Besatzung sind keine Brücke, Unterkünfte oder Ventilation, Heizung oder Abwassersysteme erforderlich. Dadurch werden die Schiffe leichter und windschnittiger, der Treibstoffverbrauch wird reduziert, die Bau- und Betriebskosten sinken und es steht mehr Platz für die Ladung zur Verfügung. Zu guter Letzt machen autonome Schiffe den Beruf des „Seemanns“ wieder attraktiver: Die Seeleute sind nicht mehr wochenlang auf See, sondern arbeiten in der Kontrollstation an Land und können jeden Abend wieder zuhause sein.

Technik für autonome Schiffe ist bereits vorhanden

Einen Großteil der benötigten Technik für ein autonomes Schiff gibt es schon – auf einer modernen Schiffsbrücke ist vieles automatisiert: Der Autopilot steuert einen vorgegebenen Kurs mit Unterstützung von GPS, eine Tempoautomatik hält die Geschwindigkeit. Radargeräte und Schiffserkennungssysteme suchen die Umgebung ab und schlagen bei Gefahr automatisch Alarm. Zusätzlich soll ein autonomes Schiff mit weiteren Sensoren bestückt werden: Um die Fähigkeiten zur Erfassung auch kleiner Objekte wie Treibgut oder kleiner Boote zu ermöglichen, werden zum Beispiel im Autosea-Projekt zusätzlich zum normalen Radar Sensortypen integriert, die bisher nicht im maritimen Bereich zum Einsatz kommen. Dazu gehören etwa Lidar, Infrarot- oder 3D-Kameras. Das Projekt wird von der norwegischen Universität für Wissenschaft und Technik geleitet, zu den Industriepartnern gehören unter anderem die beiden norwegischen Firmen Kongsberg Maritime und Maritime Robotics.

Über Satellit weltweit vernetzt

Eine Software wertet die Daten sämtlicher Sensoren aus und entscheidet beispielsweise darüber, ob und wie das Schiff seinen Kurs ändert, um Kollisionen zu vermeiden. Via Satellit soll ein Mensch das Geschehen überwachen und, wenn nötig, eingreifen. Das erfordert eine konstante Echtzeit-Verbindung mit hohen Datenübertragungsraten. Dazu hat das britische Unternehmen Inmarsat, ebenfalls Partner des AAWA-Projekts, inzwischen vier Global-Xpress-Satelliten stationiert. Sie ermöglichen über das Ka-Band eine weltweit verfügbare High-Speed-Breitband-Verbindung. Darüber können nicht nur die Betriebsdaten zur Kontrollstation übertragen werden, sondern autonome Schiffe können für ihre Entscheidungen auch auf Wetterberichte oder Informationen von anderen Schiffen zurückgreifen.

Entwicklungsstufen autonomer Schiffe

2020

Reduzierte Mannschaft, einige Funktionen werden ferngesteuert durchgeführt

2025

Ferngesteuerte unbemannte Küstenfrachter

2035

Autonome hochsee-tüchtige Schiffe

Erste Schiffe ab 2018

Inzwischen werden die Pläne für unbemannte Hochsee-Schiffe zunehmend konkret: So ist bereits die „Hrönn“ in Bau, ein Gemeinschaftsprojekt von Automated Ships und Kongsberg Maritime, der Stapellauf soll in 2018 erfolgen. Die „Hrönn“ ist als leichtes Versorgungsschiff für Offshore–Windkraftanlagen oder Fischfarmen konzipiert. Das Schiff wird anfangs als ferngesteuertes Schiff betrieben. Dabei sollen aber die Steueralgorithmen parallel im Einsatz weiterentwickelt werden, so dass es später vollautomatisch und sogar autonom betrieben werden kann. Kongsberg ist auch an einem weiteren Projekt beteiligt: der „Yara Birkeland“, dem ersten elektrisch angetriebenen und autonomen Containerschiff der Welt. Das Schiff soll ab 2018 fahren, zunächst noch mit Mannschaft, ab 2019 dann ferngesteuert und voraussichtlich ab 2020 autonom. „Autonome Schiffe sind die Zukunft der Schiffsindustrie. Genauso bahnbrechend wie das Smartphone, wird das smarte Schiff die Welt der Konstruktion und den Betrieb von Schiffen revolutionieren“, ist sich Mikael Makinen, Präsident von Rolls-Royce Marine sicher.

(Bildnachweis: Rolls Royce Plc)

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