Indien wird 100 Smart Cities im ganzen Land bauen. Die Städte sollen nachhaltiger und lebenswerter und ihre Bewohner wohlhabender, gesünder und zufriedener werden.
Es gibt noch keine einzige Smart City auf der Welt“, meint Amitabh Kant, Secretary im Department of Industrial Policy and Promotion der indischen Regierung. „Höchstens Städte, die teilweise intelligent vernetzt sind.“ Während Indien gerade erst mit der Urbanisierung begonnen habe, gehe diese Entwicklung jetzt in ungeheurem Tempo voran. Heute lebt in Indien knapp ein Drittel der Landesbevölkerung, das heißt rund 433 Millionen der insgesamt 1,3 Milliarden Menschen, in Städten. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen werden bis 2050 noch einmal über 400 Millionen städtische Bewohner hinzukommen. „Früher durften Sie (der Westen – Anmerkung der Redaktion) die Welt verschmutzen. Wir können uns diesen Luxus nicht erlauben“, so Kant.
Am Anfang steht die Vision
In diesem Kontext steht auch die Vision „Digital India“ vom indischen Premier-Minister Narendra Modi. Sie umfasst unter anderem den Plan, 100 Smart Cities in ganz Indien zu bauen. „Früher wurden Städte auf Flussufern gegründet. Heute werden sie entlang von Highways gebaut. Aber in der Zukunft werden sie dort errichtet, wo Glasfasernetze und moderne Infrastrukturen verfügbar sind.“ So gab die indische Regierung im April 2015 den Startschuss für ihr „100 Smart Cities“-Programm: An zunächst rund 100 Orten in Indien sollen „intelligente“ Städte entweder völlig neu errichtet oder bestehende Städte effizienter und lebenswerter gestaltet werden. Gerade in Indien müssen dafür zunächst die Grundlagen geschaffen werden wie eine stabile Wasserver- und -entsorgung, flächendeckende Elektrizität oder öffentliche Verkehrssysteme. Erst wenn all das steht, kommen Vernetzung und Informationstechnik ins Spiel – und die Stadt kann intelligent werden. Das offizielle Ziel des Programms ist die Schaffung einer in allen Bereichen leistungsfähigen Infrastruktur, um die Städte nachhaltiger und lebenswerter und ihre Bewohner wohlhabender, gesünder und zufriedener zu machen.
Bei der Finanzierung setzt die indische Regierung auf Public Private Partnerships. Allein für die Bereiche Wasserversorgung, Abwassersysteme und Transportinfrastruktur sind Investitionen von rund 4,6 Milliarden Euro pro Jahr notwendig, schätzt eine indische Expertenkommission. Der gesamte Investitionsbedarf liegt wohl deutlich darüber. Daher hat Indien auch Partner aus dem Ausland eingeladen, die Smart Cities mit ihnen zu entwickeln. Für acht Städte wurden bereits entsprechende Verträge unterzeichnet – drei mit Deutschland, drei mit den Vereinigten Staaten und jeweils eine mit Spanien und Singapur.
Die Realisierung läuft
98 potenzielle Smart Cities wurden im August 2015 benannt. Im Januar 2016 wählte man 20 Städte aus, die als erste Fördermittel erhalten sollen. Kochi ist eine dieser Städte, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Lebensqualität ihrer Bevölkerung durch Investitionen in öffentliche Infrastruktur und moderne Dienstleitungen zu verbessern. Zum Beispiel soll hier mithilfe eines Darlehens der deutschen KfW Entwicklungsbank ein integriertes Wassertransportsystem aufgebaut werden. Geplant ist ein städtisches Transportsystem, das Wasserstraßen, Busse, Metro und Transportmittel wie Auto-Rikschas und Radverleih miteinander verbindet. Für einen reibungslosen Ablauf des künftigen Verkehrs sollen Streckennetze, Fahrpläne sowie das Ticketsystem aufeinander abgestimmt und vereinheitlicht werden. Ein nahtloser Transport wird mittels elektrischer Busse und Rikschas als Zubringer zu den Fähren und durch den Ausbau von Fußgänger- und Radwegen ermöglicht. Die im Rahmen des Projekts beschafften Fähren werden 20 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen als die aktuell eingesetzten Boote.
In Visakhapatnam liegt der Fokus zunächst auf der Einführung eines eGovernment-Systems und eines Kommando- und Kontrollzentrums. Das Kontrollzentrum wird verschiedene Bereiche der städtischen Verwaltung zusammenführen und auch Institutionen wie die Stadtkasse oder die Polizei einbinden. „Auch die Überwachung der Strände wird Teil des Kommandozentrums sein“, so Pravin Kumar, Mitglied des Gemeinderates. Er sieht in dem Projekt einen Meilenstein für die kommunale Verwaltung von Visakhapatnam und meint, „wir sind jetzt so weit, die Smart City zu realisieren“. Dazu gehören auch eine zuverlässige Wasserversorgung rund um die Uhr, Solardächer auf öffentlichen Gebäuden und Solarmodule für Straßenlampen.
Chance für Unternehmen aus aller Welt
Das „100 Smart Cities“-Projekt ist eine große Chance auch für Industrieunternehmen aus aller Welt. Gefragt sind vor allem Technologiestandorte und Jobs in Indien selbst. Sangeeta Prasad, CEO der Organisation Mahindra World City: „Ohne Arbeitsplätze fehlt dem vernetzten System das Wichtigste: die Seele.“
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