Mit Kabel, Funk und Licht

Durch Industrie 4.0 tauschen immer mehr Objekte immer mehr Daten miteinander aus. Um diese Informationsflut zu bewältigen, sind robuste und leistungsfähige Kommunikationstechniken erforderlich.

Durch die zunehmende Masse an Daten, die Maschinen und Sensoren produzieren, werden Unternehmen mit einer beispiellosen Herausforderung konfrontiert“, so Kip Compton, Vizepräsident und General Manager der IoT-Systems and Software Group bei Cisco. „Sie müssen in Echtzeit mit den eingehenden Daten arbeiten und dabei innerhalb der Grenzen der verfügbaren Bandweiten arbeiten.“ Gleichzeitig nehmen auch die Anforderungen an minimale Laufzeit und Zuverlässigkeit zu. All dies sind Gründe, warum zunehmend der sogenannte Industrial Ethernet Standard auf der Feldebene, also bei den in der Fertigung eingesetzten Sensoren und Aktoren, Verbreitung findet. Er basiert auf dem seit Jahren im PC- und Bürobereich etablierten Ethernet-Standard und nutzt damit die Basistechnologie für das größte Netzwerk der Welt – das World Wide Web oder kurz das Internet. „In vielerlei Hinsicht gleicht der Wertbeitrag des Industrial Ethernets dem anderer Konzepte wie Industrie 4.0 oder Industrial Internet of Things. Dadurch entstehen gute langfristige Prognosen“, meint Chantal Polsonetti, Vize-präsidentin bei dem Marktforschungsinstitut ARC. „Das Industrial Ethernet passt sehr gut zu beiden Konzepten, indem es Flexibilität und eine einfache Integration zur Unterstützung von Industrie 4.0 und Konnektivität für das Industrial Internet of Things bietet.“ So wächst die Anzahl der Industrial-Ethernet-Netzwerkknotenpunkte laut einer Studie des schwedischen Unternehmens HMS Industrial Networks mit rund 17 Prozent jährlich.

Aufbruch ins Gigabit-Zeitalter

Doch leider ist Ethernet nicht gleich Ethernet: Es existieren über 20 verschiedene Anwendungsprotokolle für das Industrial Ethernet – wie zum Beispiel Profinet, EtherNet/IP, EtherCAT, FLNet und viele andere. Diese Systeme unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Einsatzgebiete, technischer Eigenschaften und Echtzeitfähigkeit, sind aber vor allem inkompatibel zueinander. Für eine übergreifende Kommunikation sind daher Schnittstellen notwendig, deren Netzwerkprozessor möglichst alle Protokolle unterstützt.
Branchenexperten erwarten, dass zur Bewältigung der Datenflut in Zukunft das sogenannte Gigabit-Ethernet zum allgemeinen Standard wird. Es bewältigt eine Übertragungsrate von 1 Gigabit pro Sekunde – wobei allerdings Forscher bereits an Ethernet-Systemen arbeiten, die bis zu 400 Gigabit pro Sekunde schaffen (zum Vergleich: Heute übliche DSL-Verbindungen haben Übertragungsraten von maximal 100 bis 200 Megabit pro Sekunde, sind also um den Faktor 2.000 langsamer).

Flexibilität durch kabellose Kommunikation

Eine besondere Bedeutung in der smarten Fabrik bekommt allerdings die kabellose Kommunikationstechnologie, wie Dr. Barbara Staehle, Gruppenleiterin Wireless Automation Networks am Fraunhofer-Institut für Eingebettete Systeme und Kommunikationstechnik ESK, betont: „Damit die Industrie 4.0-Idee mit flexiblen und sich adaptiv konfigurierenden Produktionsanlagen funktioniert, bedarf es verlässlicher Funktechnologien. Kabelgebundene Lösungen stoßen hier an ihre Grenzen, insbesondere wenn bewegliche Maschinenteile oder Produktionsstücke im Prozess lokalisiert werden und per Kommunikation interagieren müssen.“ Bei der Übertragung über größere Strecken innerhalb einer Fabrik wird dabei WLAN gemäß der IEEE-Norm 802.11 dominieren (IEEE = Institute of Electrical and Electronics Engineers). Die neuen Verfahren 802.11ac und 802.11ad ermöglichen Datenübertragungsraten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde und mehr.

Robustheit gefragt

„Der Einsatz von Drahtlostechnologien in der Industrie bietet zahlreiche Vorteile. Drahtlosgeräte reduzieren im Vergleich zu verkabelten Komponenten nicht nur die In­stallationskosten, sondern sie ermöglichen Anwendungen mit schwieriger Verkabelung auch Mobilität. Anwender sollten jedoch die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von Drahtlosgeräten bei deren Einsatz in betriebskritischen Anwendungen unbedingt überprüfen“, sagt Paul Hsu, Business Development Manager Industrial Wireless bei Moxa Europe. Denn für stabile WLAN-Verbindungen in Lagerhallen und Produktionsgebäuden gibt es zahlreiche Hürden. Decken- oder Wandverkleidungen, Maschinen, Regale oder das Lagergut können WLAN-Verbindungen blockieren. „Industrielle Drahtlosgeräte erfordern eine robuste Bauweise einschließlich fortschrittlichen EMV-Schutzes gegen elektrische Interferenzen sowie ununterbrochenes WLAN-Roaming für erweiterte Netzwerkverfügbarkeit“, so Hsu weiter. Dazu wird das sogenannte Seamless Roaming genutzt: Der „Klient“, zum Beispiel ein Gabelstapler, ist dabei gleichzeitig mit zwei Access Points verbunden. Verliert er den Kontakt zu einem der beiden Zugangspunkte, sucht er automatisch nach dem nächsten Access Point und verbindet sich mit ihm. So ist auch bei bewegten „Klienten“ permanent ein nahtloser Datenverkehr möglich.

Chip als digitales Gedächtnis

Doch nicht nur WLAN wird in der Industrie 4.0 zu finden sein, auf kurzen Strecken können auch Systeme wie Near Field Communication, Zigbee, Bluetooth oder RFID zum Einsatz kommen. Gerade RFID bietet in der Industrie 4.0 interessante Möglichkeiten: Mit einem RFID-Chip ausgestattete Objekte können nicht nur Informationen, zum Beispiel zu ihrer Identität, senden, sondern sie können auch Informationen empfangen und speichern – sie erhalten damit ein digitales Gedächtnis. So kann ein mit einem RFID-Chip ausgerüstetes Werkstück jederzeit Auskunft darüber geben, welche Prozessschritte es bereits durchlaufen hat und was der nächste Schritt sein wird. Allerdings sind die Anforderungen an industrietaugliche Funksysteme sehr hoch: „Sie müssen vor allem stabil, robust und echtzeitfähig sein, um eine kabelähnliche Qualität zu garantieren. Die entscheidende Rolle spielt deshalb die Auswahl der für das jeweilige Einsatzszenario geeigneten Standards, Protokolle und Algorithmen sowie eine sorgfältige Planung und Überwachung der drahtlosen Datenübertragung“, so Dr. Staehle.

Kommunikation per Licht

Alternativ zu der Datenübertragung über Funkwellen wird zurzeit aber auch an einer optischen Datenübertragung geforscht: Bereits Ende 2013 präsentierte Dr. Frank Deicke, Gruppenleiter für optische Sensoren und Datenübertragung am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS, ein optisches drahtloses Kommunikationsmodul, das eine Datenübertragungsrate von bis zu 5 Gigabit pro Sekunde ermöglichte. Nun ist es ihm gelungen, diese Rate zu verdoppeln. Deicke entwickelte mit seinem Team einen Transceiver für die optische drahtlose Kommunikation, der gerade einmal so groß ist wie ein Zuckerwürfel und Daten mit bis zu 10 Gigabit pro Sekunde via Infrarot übertragen kann. Im Vergleich zu bekannten Funktechnologien wie Bluetooth oder WLAN bietet dieses Kommunikationsmodul einen wesentlich höheren Datendurchsatz, extrem niedrige Bitfehlerraten und eine hohe Energieersparnis. Allerdings muss Sichtkontakt zwischen Sender und Empfänger bestehen.

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