Bionik: Die Natur als Vorbild

Die Natur ist eine Bibliothek der besten Ideen des Lebens – die sich häufig auf die technische Produktentwicklung übertragen lassen. Pflanzen und Tiere werden damit immer öfter Vorbild für neue smarte Technologien.

Forschern und Entwicklern bietet die Natur eine Fülle von Ideen für innovative smarte Systeme. Hier sind nicht nur großartige Funktions- und Konstruktionsprinzipien zu finden, sondern auch Entwürfe für den effizienten Einsatz von Ressourcen. Kein Wunder also, dass fast alle großen „Global Player“ eigene Bionik-Abteilungen haben. Bionik – das ist die Schnittstellenwissenschaft zwischen den Bereichen Biologie und Technik, die Jahrmillionen alte Lösungen in der Natur aufspürt und diese in moderne nachhaltige, ressourcenschonende, hocheffiziente technische Innovationen umwandeln will.

Erst am Anfang

„Ich denke, die größten Innovationen des 21sten Jahrhunderts entstehen an der Schnittstelle von Biologie und Technologie. Eine neue Ära beginnt“, so der Apple-Gründer Steve Jobs. Bahnbrechende Erfindungen der letzten Jahre, die sich von natürlichen Materialien, Pflanzen und Tieren inspirieren ließen, geben ihm recht. Dabei steht die Bionik erst am Anfang. Denn von den auf unserer Erde existierenden 30 Millionen Arten wurden bisher nur rund 100 in technischer Hinsicht untersucht. Dabei kann jede Art spannende Ideen für neue Produkte liefern – die heute dank innovativer Materialien und leistungsfähiger Mikroelektronik in den verschiedensten Branchen umgesetzt werden können.

Kollektives Verhalten künstlicher Quallen

Ein Beispiel sind die AquaJellies von Festo – künstliche, autonome Quallen mit elektrischem Antrieb und einer intelligenten, adaptiven Mechanik. Jede Qualle entscheidet autonom aufgrund ihres Zustands, welche Aktion sie ausführt. „Ihre integrierte Kommunikations- und Sensortechnik sowie die Echtzeitdiagnose ermöglichen ein abgestimmtes, kollektives Verhalten auch auf begrenztem Raum“, erläutert Dr. Elias Maria Knubben, Leitung Corporate Bionic Projects bei Festo. „Festo visualisiert mit diesen bionischen Technologieträgern Potenziale und Ideen, wie effiziente Systeme im Bereich der Wassertechnik in Zukunft aussehen können. Prozessüberwachung und Condition Monitoring sind wichtige Themen in allen Anlagen der Prozessindustrie und damit auch in der Wassertechnik.“ Dieses Prinzip des anpassungsfähigen und kollektiven Verhaltens ist auf die Automation übertragbar. Hier bedeutet es, dass viele dezentral intelligente Systeme zusammenarbeiten und so große Aufgaben von kleinen Systemen, die gezielt zusammen agieren, gelöst werden.

Selbstreparierender Roboter

Auch Forscher des Instituts für intelligente Systeme und Robotik am französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung und des lothringischen Forschungslabors für Informatik und ihre Anwendungen haben sich von der Natur inspirieren lassen: Sie ahmen bei der Roboterprogrammierung die Fähigkeit von Tieren nach, sich automatisch an Verletzungen oder Behinderungen anzupassen. Ähnlich wie ein Hund, der schnell lernt, auf drei Beinen zu laufen, sollen Roboter Beschädigungen kompensieren. Dabei speichert der Roboter die möglichen Bewegungen und die damit erreichbaren Leistungen für die Erfüllung seiner Aufgabe in einer Matrix ab. Ist der Roboter beschädigt, nutzt er einen speziellen Algorithmus, der auf die in der Matrix abgespeicherten Informationen zurückgreift. Mit diesem Algorithmus spielt er die verschiedenen Bewegungsabläufe durch und ermittelt, welche am besten den Schaden ausgleichen können. Funktioniert es beispielsweise nicht, nur auf den Hinterbeinen zu laufen, probiert er als Nächstes, nur die Vorderbeine einzusetzen. Überraschend dabei ist, wie schnell der Roboter reagiert. In weniger als zwei Minuten hat er eine neue Bewegungsart gelernt. Diese neue Technik ebnet den Weg für die Entwicklung effizienterer und stabilerer autonomer Roboter – beispielsweise als Sanitäter.

Das Auge als Vorbild

Aber auch für ganz konkrete, neue elektronische Systeme dient die Natur als Vorbild: So haben Fraunhofer-Forscher einen innovativen 3D-Laserscanner mit Lichtlaufzeitmessverfahren entwickelt. Er kann sich nach dem Vorbild des menschlichen Auges auf wesentliche Bildausschnitte konzentrieren, um diese mit entsprechend höherer Auflösung zu erfassen. Effiziente Softwarealgorithmen analysieren ein schnell erfasstes 3D-Übersichtsbild und lenken den Scanner (die „Aufmerksamkeit“ des Systems) auf interessante Bildausschnitte, so dass diese in hoher Auflösung abgetastet werden können – entsprechend der im menschlichen Auge befindlichen Fovea, die dafür sorgt, dass wir kleine Ausschnitte eines Übersichtsbildes scharf sehen. Damit wird es erstmalig möglich, in kurzer Zeit situationsbezogen hochwertige 3D-Information zu gewinnen. Die extrem hohe Scangeschwindigkeit des Fraunhofer-Scanners von 1,6 kHz erlaubt Aufnahmen quasi in Echtzeit und so auch die Erfassung sich bewegender Objekte wie zum Beispiel Flugzeuge auf Landebahnen oder Fahrzeuge auf Baustellen.

(Bildnachweis: Festo AG & Co.KG)

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