Kritische Rohstoffe wie Kobalt, Lithium und seltene Erden sind essenziell für die verschiedenen Technologien der All Electric Society. Um die Versorgung zu sichern und Abhängigkeiten zu reduzieren, hat die Europäische Union im Frühjahr 2024 das Critical Raw Materials Act verabschiedet.
Bis 2050 wird die weltweite Nachfrage nach Kobalt und Lithium für Elektrofahrzeugbatterien voraussichtlich um das Zwanzigfache steigen. Der Übergang zu einer energieversorgung ohne fossile Brennstoffe wird erhebliche Mengen an Kupfer, Aluminium und Eisen erfordern, wobei die Nachfrage wahrscheinlich doppelt so hoch sein wird. Seltene Erden, die für Technologien wie Windkraftanlagen unverzichtbar sind, werden ebenfalls in viel größeren Mengen benötigt.
„Auch wenn die Weltwirtschaft insgesamt ressourcenschonender wird, da sie sich von Kohle, Öl und Gas abwendet“, sagt Felix Creutzig, Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Verkehr am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, „gehen die zusätzlichen Materialbedarfe durch den Klimawandel, den damit verbundenen Ressourcenabbau und die entstehenden Abfallströme mit erheblichen ökologischen und sozialen Risiken auf regionaler und lokaler Ebene einher.“
Creutzig ist Hauptautor einer Studie, die die erwarteten Materialverbrauchssteigerungen durch den Klimawandel untersucht und Möglichkeiten zu deren Minderung aufzeigt. Die Studie hebt die Bedeutung klimafreundlicher Lösungen auf der Nachfrageseite hervor, etwa durch Veränderungen in Mobilität, Wohnen und Ernährung, sowie die Erweiterung des Materialrecyclings in der Wirtschaft.
EU strebt Sicherung der Rohstoffversorgung an
Selbst bei Anstrengungen zur Nachfragereduzierung wird die Verwirklichung einer All Electric Society ohne eine gesicherte Versorgung mit kritischen Rohstoffen nicht möglich sein. Die Europäische Union hat dazu das Critical Raw Materials Act eingeführt, eine Verordnung, die eine diversifizierte, sichere und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen für die europäische Industrie sicherstellen soll. Die Verordnung trat im Mai 2024 in Kraft und zielt darauf ab, die Versorgung innerhalb der EU zu stärken und die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten zu verringern. Dies ist wichtig, da der Markt für kritische Rohstoffe oft von wenigen Lieferländern dominiert wird, die nicht immer zuverlässig sind. So entfällt beispielsweise fast ein Viertel der weltweiten Bauxitproduktion (ein Vorprodukt von Aluminium) auf Guinea, während die Hälfte der weltweiten Kobaltreserven im konfliktbelasteten Kongo liegt. Zudem werden 90 Prozent der Halbleiter-Wafer für Solarzellen in China produziert.
Von der Förderung bis zum Recycling
Das Critical Raw Materials Act setzt Benchmarks für den Ausbau der Kapazitäten in den Bereichen Bergbau, Verarbeitung und Recycling innerhalb der EU. Dazu gehören vereinfachte Genehmigungsverfahren und ein erleichterter Zugang zu finanziellen Mitteln. Ein wichtiger Aspekt, den die neue EU-Verordnung verbessern soll, ist das Recycling von kritischen Rohstoffen. Ausgediente Produkte aus der Automobilindustrie, Elektrofahrzeugen, Elektroschrott und dekarbonisierten Energietechnologien entwickeln sich schnell zu sekundären Quellen wertvoller kritischer Materialien. Marktanalysten von IDTechEx prognostizieren, dass bis 2045 jährlich kritische Materialien im Wert von 110 Milliarden US-Dollar aus Sekundärquellen zurückgewonnen werden, mit einem Gesamtgewicht von über 3,3 Millionen Tonnen. Das Critical Raw Materials Act legt Recyclingziele für verschiedene Materialien fest.
Forderung nach mehr Flexibilität
Starre, statische Zielvorgaben, wie sie derzeit im Critical Raw Materials Act festgelegt sind, wurden jedoch von Experten kritisiert. Rohstoffmärkte und Versorgungssysteme sind von Natur aus sehr dynamisch – feste Ziele könnten daher nicht effektiv sein. Neue Technologien können die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen schnell erhöhen, während Substitutionseffekte die Nachfrage nach anderen, bislang als knapp und kritisch eingestuften Rohstoffen rasch verringern können. Ein Beispiel hierfür ist Kobalt: Starke Substitutionseffekte in Batterien zeichnen sich bereits ab. Wird Kobalt angesichts des technologischen Fortschritts auch 2030 noch als wichtiges Kathodenmaterial für Lithium-Ionen-Batterien benötigt?
Professor Simon Glöser-Chahoud, Wirtschaftsprofessor von der TU Bergakademie Freiberg, erklärt: „Für eine erfolgreiche Regulierung der Rohstoffversorgung müssen sowohl die festgelegten Quoten als auch die Liste der strategischen Rohstoffe regelmäßig überprüft und angepasst werden.“