Karl Lehnhoff, Director Segment Industrial, Scientific & Medical bei EBV Elektronik, zu Trends im Bereich der Human Machine Interfaces.
Unser Alltag ist heute von Technik durchdrungen. Mit der Komplexität der Technologien, die uns täglich umgeben, nimmt auch der Bedarf an Mensch-Maschine-Schnittstellen zu, die eine möglichst positive User Experience bieten. Dabei werden die Interaktionsmöglichkeiten immer vielfältiger: Die Palette an HMI-Lösungen reicht vom Push-Button über Multi-Touch-Bildschirme bis hin zu Sprach- und Gestensteuerung. Diese Bandbreite ist etwas, das Karl Lehnhoff besonders fasziniert.
Ein Lichtschalter, eine Computermaus, ein Neuroimplantat zur Steuerung einer Prothese – was davon ist für Sie eine Mensch-Maschine-Schnittstelle?
Karl Lehnhoff: Das ist leicht zu beantworten – alle. Schalter sind eine Basis-HMI. Aber auch andere Dinge wie eine Computermaus, sind ganz klar Mensch-Maschine-Schnittstellen. Natürlich gibt es daneben Hightechgeräte wie Brain Machine Interfaces. Sie stellen die aktuell fortschrittlichste Variante einer HMI dar.
Welche Technologien zur Mensch-Maschine-Interaktion sind denn aktuell besonders gefragt?
K. L.: Fangen wir mit dem Klassiker an, den Schaltern. Wir benutzen sie überall. Und wir werden sie auch in Zukunft verwenden. Auf der anderen Seite benutzen wir immer mehr Touchscreens, angefangen beim Smartphone bis hin zum Auto. Zukünftig werden wir dabei mehr haptisches Feedback integrieren. Was sich zudem immer mehr durchsetzt, ist die Spracherkennung. Wir nutzen sie bereits mit Smartphones oder mit Alexa und Siri im Smart Home. Sie wird in Zukunft auch in anderen Anwendungen zum Einsatz kommen, zum Beispiel in der industriellen Produktion. Außerdem wird immer öfters die Gestensteuerung eingesetzt.
Zum Bereich der HMI gehören aber auch Lösungen zur biometrischen Authentifizierung. Gesichtserkennung bei Telefonen oder anderen Anwendungen, Fingerabdruckscanner oder Iris-Scanner.
Was ich zudem spannend finde, sind Augmented und Virtual Reality. Auf der diesjährigen Hannover-Messe habe ich mir zum Beispiel eine Lösung angeschaut, bei der über Smart Glasses ein Roboter für den Logistikbereich gesteuert wird.
Touchscreens werden aktuell fast überall verwendet – wo geht die Entwicklung hin?
K. L.: Touchscreens haben wir heute tatsächlich überall und sie werden kontinuierlich weiterentwickelt. Wir sehen bereits 3D-Touchscreens und die Möglichkeit, haptisches Feedback zu integrieren. In Zukunft werden Touchscreens zudem mit anderen HMI-Technologien wie Gestensteuerung kombiniert.
Wie kann denn haptisches Feedback in einen Touchscreen integriert werden?
K. L.: Typischerweise wird heute ein Motor oder ein piezoelektrischer Aktor verwendet, der eine fühlbare Rückmeldung gibt. Es gibt auch Displays, die über taktile Rückkopplungsschichten verfügen. Sie „erzeugen“ Knöpfe unter dem Display, sodass man spüren kann, wenn man sie drückt. Feedback ist nicht nur bei Touchscreens relevant, sondern auch bei anderen Anwendungen, wo Knöpfe hinter Glas Feedback ermöglichen. Auch hier wird oft ein Motor verwendet, um eine mechanische Rückmeldung zu geben. Das ist sogar möglich, wenn der Bediener Handschuhe trägt – dann muss allerdings die Feedback-Kraft größer sein und vielleicht in einem Bereich von 1 oder 2G liegen, sonst spürt man das nicht durch den Handschuh.
Wird heute über HMI gesprochen, kommt man an KI kaum vorbei. Neben dem Einsatz bei der Sprach- und Gestenerkennung – welche Rolle spielt KI bei HMI?
K. L.: Nicht immer erkennen wir es, aber wir nutzen heute schon eine Menge KI. Beim Smartphone, bei der Sprach- oder Gesichtserkennung. In der Bildverarbeitung wird sie oft eingesetzt. In Zukunft geht es zum Beispiel bei der Spracherkennung darum, das Sprachverständnis zu verbessern und mehr Wörter zu erkennen. KI wird auch bei Gehirn-Computer-Schnittstellen, bei Virtual und Augmented Reality oder für vorausschauende Analysen benötigt. Dabei wird auch das Maschinelle Lernen eine immer größere Rolle spielen. Denn damit kann das Gerät selbst weiter lernen, sich vielleicht selbst ein neues Wort beibringen.
was bleibt der Schlüssel zu einem idealen Benutzererlebnis?
K. L.: Einer der wichtigsten Punkte ist die Erkennungsgenauigkeit. Ich erlebe das jeden Tag bei meinem Auto – manche Wörter versteht es, manche nicht. Wir müssen also eine hohe Genauigkeit und Zuverlässigkeit haben. Hier kann KI helfen. Aber es gibt noch eine Menge andere Kriterien für eine gute HMI: Datenschutz, Feedback, der Umgang mit Fehlern. Aber die wichtigsten Punkte für mich sind Zuverlässigkeit und Genauigkeit.
Bei der Bandbreite an Technologien – wie kann EBV Elektronik bei der Realisierung einer HMI helfen?
K. L.: Wir sind einer der führenden Spezialisten für Halbleiter. Wir können also bei der Auswahl passender Technologie helfen. Auch beim Thema „Software“ können wir Kunden beraten. Dafür haben wir unsere Segmentstruktur mit den verschiedenen Markt- und Technologiesegmenten. Das spiegelt sich auch im Feld wider, mit unseren Field-Application-Engineers für Technologien und Systeme. Und auch bei der Produktion, beim Lieferkettenmanagement und all den anderen Dingen, die nötig sind, um ein Produkt auf den Markt zu bringen, können wir unterstützen.
Arbeiten Sie dabei auch mit Ihren „Schwesterunternehmen“ aus dem Avnet-Konzern zusammen? Wie profitiert der Kunde davon?
K. L.: Das tun wir, zum Beispiel liefert unsere Schwesterfirma Avnet Abacus Verbindungstechnik, passive Bauelemente und Elektromechanik. Damit können wir also die komplette Stückliste abdecken. Avnet Embedded bietet komplette Lösungen für Kundenanwendungen. Sie übernehmen die Entwicklung, auch die Produktion und können dabei in einer breiten Palette von Anwendungen arbeiten. Und dann haben wir noch unseren Software-Spezialisten Witekio, der die komplette Entwicklung von der unteren Software-Ebene bis hin zu Embedded Applikationen und Konnektivität abdeckt. Wir als EBV sind schließlich ein Full-Service-Partner. Damit hat der Kunde nur eine Anlaufstelle, über die er alle Informationen und den gesamten Service erhält.
Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen im Bereich der HMI aus Sicht der Halbleiterindustrie?
K. L.: Wir erkennen deutlich den Trend weg vom Mikrocontroller, hin zum Mikroprozessor. Das hat viel mit den zunehmenden Funktionalitäten des Touchscreens zu tun. Dieser Trend überträgt sich nun auch auf die anderen Anwendungen. Das Display selbst wird immer komplexer. Das kann mit Mikrocontrollern nicht mehr erfüllt werden. Also kommt es in Zukunft auf leistungsfähigere Mikroprozessoren an. Natürlich braucht man auch mehr Rechenleistung für die immer häufiger eingesetzte Künstliche Intelligenz. Und auch für den 3D-Touchscreen braucht man in Zukunft leistungsfähigere Prozessoren als in der Vergangenheit.
Welche Entwicklungen im Bereich HMI finden Sie aktuell besonders spannend – und warum?
K. L.: Die Sprach- und Gestenerkennung, denn sie ermöglicht eine natürliche Interaktion wie mit einem Menschen. Sie ist in vielen Situationen hilfreich, beim Autofahren genauso wie in der Industrie. Der Schlüssel zu alldem wird aber die Künstliche Intelligenz sein.
Was glauben Sie: Werden wir in Zukunft Maschinen allein mit unseren Gedanken steuern können?
K. L.: Das ist schwer zu sagen. Aber aus medizinischer Sicht ist das ein sehr interessantes Gebiet. Ich hoffe, wir werden dadurch Menschen helfen können, besser mit ihren körperlichen Einschränkungen zu leben.
Und verstehen Sie die Ängste vieler Menschen, wenn Sie an einen Chip in ihrem Gehirn denken?
K. L.: Auf der einen Seite verstehe ich die Ängste, aber ich glaube, das ist auch eine Frage der persönlichen Situation. Wer eingeschränkt ist und wem so ein Chip im täglichen Leben hilft, wird eher den Nutzen sehen. Menschen, die nicht darauf angewiesen sind, werden eher das Risiko sehen.
Zum Abschluss: Was fasziniert Sie besonders am Thema HMI?
K. L.: Für mich ist das Faszinierende, dass das Feld so breit ist. Beginnend beim Ein-/Aus-Schalter über Touchscreens und Spracherkennung bis hin zum Brain-Computer-Interface. Und nach den HMI, die wir heute haben, wird wieder etwas Neues kommen. Wie es aussehen wird, weiß ich nicht. Aber Menschen investieren Zeit in Forschung und Entwicklung und versuchen, neue Wege zu gehen. Das gefällt mir.