Human Machine Interfaces im Metaverse

Selten hat ein Begriff so schnell eine so große mediale Aufmerksamkeit erfahren wie das Metaverse. Im Wesentlichen geht es um das Erleben einer virtuellen Welt, die der Mensch nach seinen Vorstellungen gestalten kann. Eine Schlüsseltechnologie dabei werden innovative Human Machine Interfaces sein.

Nicht weniger als die Zukunft des Internets soll es sein – das Metaverse. Im Kern geht es um eine neue, komplexe virtuelle Welt, in der man als digitaler Zwilling oder Avatar lebt und künftig eventuell auch arbeitet und alltägliche Aktivitäten unternimmt. Dabei gibt es zahlreiche Verbindungen mit der realen Welt: So können im Metaverse mit realem Geld virtuelle Güter gekauft werden. Hinter Avataren verbergen sich reale Personen, hinter virtuellen Maschinen reale Anlagenparks im Sinne eines digitalen Zwillings. „Das Metaverse ist eine der spannendsten Visionen unserer Zeit“, sagt Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des deutschen Branchenverbands Bitkom.

Das Metaverse baut dabei auf Technologien auf, die bereits etabliert sind, wie zum Beispiel Augmented und Virtual Reality, Blockchain oder Künstliche Intelligenz. Die Verwendung von virtuellen dreidimensionalen Räumen, Objekten oder Personen zur Darstellung und Interaktion findet nicht nur in den Bereichen Unterhaltung, Marketing und eCommerce immer mehr Anwendung, sondern wird auch vermehrt in der Industrie-, Bildungs- und Dienstleistungsbranche erprobt und angewendet. Was den Nutzern von Computerspielen längst vertraut ist, wird aktuell als Potenzial in den verschiedensten Branchen entdeckt.

Realitätsnahe Interaktion

Ein zentraler Aspekt des Metaverse besteht in der potenziell realitätsnahen und simultanen Interaktion zwischen verschiedenen Nutzern sowie zwischen Nutzern und Maschinen. Die immensen Fortschritte bei der Hardware – sowohl auf der Ebene der Infrastruktur als auch der Human Machine Interfaces – waren Voraussetzung für die zunehmende Akzeptanz der neuen virtuellen Welt. Inzwischen drängen die großen Software-Unternehmen mit eigenen Hardware-Lösungen auf den Markt: Meta erwarb 2014 den VR-Headset-Entwickler Oculus und verkauft nun eigene Headsets unter dem Namen Quest 2. Apple hat in den letzten zehn Jahren mehrere Patente angemeldet und will eine eigene VR-Brille Anfang 2024 auf den Markt bringen. Aktuelle Systeme verwenden zusätzlich Controller, die durch Finger-, Hand- und Armbewegungen gezielte „Berührungen“ mit virtuellen Gegenständen ermöglichen. Auf der Infrastrukturseite verringern schnellere Glasfasernetze und die Einführung von 5G die Auswirkungen von Latenzzeiten und erhöhen die verfügbare Bandbreite.

Zusammenarbeit im virtuellen Raum

Damit sind heute auch „ernsthafte“ Anwendungen zum Beispiel im industriellen Umfeld möglich. So hat zum Beispiel Igus, ein Hersteller von Energieketten und Gleit- und Linearlagern aus Kunststoff, eine eigene virtuelle Welt geschaffen, in der Benutzer aus der ganzen Welt interagieren und an Projekten zusammenarbeiten, ohne dass eine physische Präsenz erforderlich ist. Mit Extended Reality-Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality lassen sich beispielsweise Automatisierungslösungen im virtuellen Raum planen, steuern und testen. „In der Zukunft werden wir sehen, wie die kollaborative Zusammenarbeit von Menschen im Metaverse und zum Beispiel die Steuerung von Robotern aus virtuellen Welten heraus die Art und Weise verändern, wie wir zusammenarbeiten“, sagt Marco Thull, Senior Marketing Activist bei Igus.

Die virtuelle Welt ertasten

In Zukunft könnte die virtuelle Welt dabei sogar im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ werden. Jürgen Steimle, Informatik-Professor der Universität des Saarlandes, möchte dies mittels hauchdünner elektronischer Folien erreichen, die wie Abziehtattoos auf den Körper aufgetragen werden können. Denn die meisten Anwendungen der erweiterten Realität haben eines gemeinsam: Sie sprechen nur oder hauptsächlich den Sehsinn an. „Der Tastsinn bleibt in der Regel außen vor, obwohl er ein ganz entscheidender Faktor dabei ist, wie wir unsere Welt wahrnehmen“, erklärt Jürgen Steimle, der die Forschungsgruppe zu Mensch-Computer-Interaktion an der Universität des Saarlandes leitet.

Steimles Team hat dazu im Projekt „Tacttoo“ eine hauchdünne, nur 35 Mikrometer dicke elektronische Folie entwickelt, die auf die Haut aufgetragen wird und dort nur durch elektrische Reize, ganz ohne bewegliche Teile, den Tastsinn stimulieren kann. Weil die Folie so dünn ist, können Gegenstände noch wie zuvor wahrgenommen und ertastet werden. So können nicht nur – wie schon mit anderen Lösungen möglich – haptische Erfahrungen für rein digitale Objekte erzeugt werden, sondern es lassen sich auch reale Objekte um andere Sinneseindrücke erweitern. So könnte die Technik beispielweise beim Produktdesign zum Einsatz kommen: Mit Hilfe von Augmented Reality und eines physischen Prototyps könnte die Haptik verschiedener Materialien ausprobiert werden.

Standards für offenes Metaverse

Damit das Metaverse breite Anwendung finden kann, müssen die verschiedensten Technologien für die kollaborative räumliche Datenverarbeitung integriert werden, von interaktiven 3D-Grafiken über physische Simulationen bis hin zur Online-Wirtschaft. Das Potenzial des Metaverse wird sich daher erst erschließen, wenn es auf einer Grundlage offener Standards aufgebaut ist. Dazu hat sich in 2023 das Metaverse Standards Forum gegründet, ein gemeinnütziges Konsortium, das keine eigenen Standards entwickeln will, sondern die verschiedenen Interessensgruppen des Metaverse zusammenbringt, um einen Konsens bei den Interoperabilitätsanforderungen zu schaffen. „Interoperabilität ist der Schlüssel dazu, dass das Metaverse sein volles Potenzial jenseits von isolierten Spielen, Erlebnissen und Welten entfalten kann“, so Neil Trevett, Präsident der Khronos Group und erster Präsident des Metaverse Standards Forum. „Die beispiellose Beteiligung am Forum zeigt das starke Interesse der Branche an einer umfassenden Zusammenarbeit, die notwendig ist, um diese Vision zum Leben zu erwecken.“

Selten hat ein Begriff so schnell eine so große mediale Aufmerksamkeit erfahren wie das Metaverse. Eine Schlüsseltechnologie dabei werden innovative Human Machine Interfaces sein.

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