User Experience rückt in den Fokus

Bediener von Werkzeugmaschinen müssen sich auf ihre Arbeit konzentrieren können. Bei der Entwicklung von Human Machine Interfaces in der Industrie rückt daher immer mehr eine intuitive, multimodale Bedienung in den Fokus. Klassische Bedienelemente werden durch virtuelle Schalter auf Touchscreens ersetzt, die zukünftig durch Gesten- und Spracherkennung ergänzt werden.

Heutzutage erfordert die Bedienung komplexer CNC-Werkzeugmaschinen noch eine mehrjährige Ausbildung und solide technische Kenntnisse. Doch die Branche leidet zunehmend unter einem Mangel an entsprechend qualifizierten Fachkräften. Die Hersteller reagieren darauf, indem sie Maschinen entwickeln, die intuitiv zu bedienen sind. Aktuelle Werkzeugmaschinen sind in der Lage, durch integrierte Feedbacksysteme und der Anzeige von visuellen Handlungsaufforderungen die Bedienbarkeit so zu vereinfachen, dass auch wenig erfahrene Bediener in kurzer Zeit das Handling der Maschine verstehen.

Intuitive Bedienoberflächen

Ein Beispiel hierfür ist das Bedienkonzept „C.O.R.E.“ des Werkzeugmaschinenherstellers United Grinding, das in 2022 von der Jury der UX Design Awards für die User- und Customer Experience ausgezeichnet wurde. Kern des Human-Machine-Interface ist ein Multitouch-Display, das auf Tasten weitestgehend verzichtet. Selbsterklärende Icons vereinfachen die Navigation durch das Maschinenmenü und die Prozessschritte. Jeder Bediener kann sich seine Bedienoberfläche individuell konfigurieren. Über einen RFID-Chip mit hinterlegtem Rollenprofil identifiziert sich der Anwender und „seine“ Oberfläche wird automatisch aufgerufen. „Uns war es wichtig, dass die neue Bedienung alle Generationen von Nutzern anspricht“, erläutert Christoph Plüss, CTO der United Grinding Group. „Wir haben uns daher an den Bedienkonzepten orientiert, die heute in der Konsumelektronik weit verbreitet sind und mit denen praktisch jeder aus dem Alltag vertraut ist.“

Fernbedienung per Smartphone

Dazu gehören mehr und mehr auch kabellose HMI-Lösungen, die über Wi-Fi und Bluetooth verbunden werden können. Sie bieten ein Maximum an Bewegungsfreiheit und Flexibilität. Zunehmend wird auch darüber nachgedacht, bei der Maschinenbedienung auf Industrie-Hardware zu verzichten und stattdessen Standardgeräte aus dem Consumer-Bereich zu verwenden. Schon heute ist es üblich, dass Maschinendaten per App auf einem Smartphone oder Wearable abgerufen werden können. Allerdings ist eine wirkliche Bedienung der Maschine aktuell nur für die nicht zeitkritische Ablaufsteuerung realistisch, denn Consumer-Geräte verfügen nicht über die erforderliche Sicherheitsarchitektur, um die funktionale Sicherheit zu gewährleisten. Angesichts der Tatsache, dass Smartphones und Tablets vor allem durch ihre einfache Handhabung bestechen, könnte diese Technik aber durchaus die Automatisierung in naher Zukunft bestimmen.

Sprachgesteuerte Benutzerschnittstellen

Vor allem als Ergänzung traditioneller grafischer Benutzeroberflächen werden zunehmend auch sprachgesteuerte Benutzerschnittstellen in industrielle HMI-Konzepte eingebunden. Durch die steigende Genauigkeit und Leistungsfähigkeit der Technologie zur Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) können Maschinen damit komplexe Sprachbefehle verstehen und entsprechend reagieren. Das Unternehmen Voice Inter Connect bietet zum Beispiel eine Sprachsteuerung für Industrieanwendungen als fertiges Kit an. Echtzeitfähigkeit, KI-basierte semantische Analysen und Algorithmen für Beamforming und Noise-Cancelling sorgen für hohen Bedienkomfort und Audioqualität. Das System kann zudem akustisches Feedback in Form von Eingabeaufforderungen oder Text-to-Speech für die Sprachausgabe aufbereiten. Dank lokaler Sprachverarbeitung benötigt die Sprachsteuerung keine Internetverbindung und erfüllt damit hohe Ansprüche an Sicherheit und Datenschutz.

OK per Geste

Eine natürliche Ergänzung der Mensch-Maschine-Schnittstellen für Werkzeugmaschinen könnte auch eine Gestensteuerung sein. Doch „die Bedienung von Maschinen über Interfaces ist sehr visuell geprägt“, wie Prof. Dr.-Ing. Katrin Wolf, Leiterin der Forschungsgruppe „Human-Computer-Interaction“ an der Berliner Hochschule für Technik erläutert. Noch würden Handbewegungen kaum für die Interaktion genutzt. Eine Begründung hierfür: „Für die Menschen ist es unbequem, Gesten zu erlernen und anschließend korrekt auszuführen, ohne visuelles Feedback oder Unterstützung bei Fehlern zu erhalten.“ Im Forschungsprojekt WINK erforscht das Team um Prof. Wolf daher, wie sich Rückmeldungen über taktile Reize geben lassen. Dafür konstruieren die Wissenschaftler spezielle Armbänder für den Unterarm, die spürbare Signale an die Haut übertragen können. Die Forscher kooperieren dabei mit der Firma Trumpf. Der Werkzeugmaschinenhersteller will die Arbeit mit einem Lasercutter effizienter machen. An einer Seite schieben die Bediener die Stahlplatten in die Industriemaschine, auf der anderen Seite kommen zugeschnittene Bauteile heraus. Dort überprüfen die Angestellten deren Qualität. Sind fehlerhafte Zuschnitte darunter, müssen sie auf die andere Seite der Maschine gehen und an einer Tastatur den Befund vermerken. Die Idee: Mit einer simplen Handbewegung, etwa in Form eines Hakens, der ein „OK“ symbolisiert, könnten die Mitarbeiter der Maschine Rückmeldung geben, ohne hin- und hergehen zu müssen. Zur Gestenerkennung kommt bei Trumpf ein Armband von Kinemic zum Einsatz. Es erkennt zweidimensionale Gesten anhand der Bewegung, gibt jedoch nur Ton sowie Vibration über einen verbauten Motor zurück. Das Team um Prof. Wolf will aber komplexere Vibrationsmuster realisieren und dazu mehr Motoren integrieren. Ein Prototyp existiert bereits. Dennoch: „Der Einsatz von Haptik für die Steuerung digitaler Geräte wird noch viele Jahre ein Forschungsfeld bleiben“, ist Prof. Katrin Wolf überzeugt.

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