Ohne KI kein hoch-automatisiertes Fahren

Entscheidend für viele Entwicklungen in der Mobilität der Zukunft ist künstliche Intelligenz. Durch neue Mikroprozessor-Technologien steht heute eine enorme Rechenleistung zur Verfügung, mit der die Automatisierung von Mobilitätslösungen vorangetrieben wird.

Künstliche Intelligenz ist der Kern einer Vielzahl intelligenter Anwendungen, die Mobilität sicherer, komfortabler, effizienter und ressourcenschonender machen. Basis dafür sind Chips, die es ermöglichen, die künstliche Intelligenz nicht nur im großen Rechenzentrum zu etablieren, sondern direkt an den Ort des Geschehens bringen. „Ohne schnelle Chips keine Vernetzung, keine Automatisierung und kein autonomes Fahren“, bringt es Frank Petznick, Leiter der Continental-Geschäftseinheit Fahrerassistenzsysteme, auf den Punkt. Das Unternehmen arbeitet an einer neuen Chiparchitektur für die auf künstlicher Intelligenz basierende Objekterkennung in Echtzeit.

Eingesetzt werden sollen die Prozessoren der Zukunft unter anderem in den Continental-Hochleistungscomputern im Auto. Dort übernehmen sie die schnelle Verarbeitung von Sensordaten für das automatisierte und autonome Fahren. Die neuen, hochspezialisierten Prozessoren dienen im übertragenen Sinne als supersparsamer Datenturbo: Mit extrem geringem Energiebedarf ermöglichen sie den Fahrzeugcomputern die schnelle Wahrnehmung der Fahrzeugumgebung und schaffen so die Voraussetzungen dafür, dass das automatisierte und autonome Fahren funktionieren kann. Edge-KI-Chips bieten heute eine Effizienz in der Größenordnung von 1 bis 100 Tera-Operationen pro Sekunde pro Watt, wobei schnelle GPUs oder ASICs für die Berechnungen verwendet werden. Die Forschung arbeitet an Lösungen, die eine Effizienz für Inferenzen in der Größenordnung von 10.000 Tops pro Watt erreichen.

Chips verarbeiten Informationen wie Neuronen im Gehirn

Noch mehr Leistung bei noch geringerem Energieverbrauch sollen neuartige Chips bieten, die das Imec am Holst Centre, ein unabhängiges Forschungszentrum im Bereich der Mikroelektronik, entwickelt. „Es geht um die physikalischen Berechnungen im Inneren des Chips: Diese basieren darauf, wie Neuronen im Gehirn miteinander interagieren“, erklärt Federico Corradi, Senior Neuromorphic Researcher am Forschungszentrum imec.

Die Mikrochips ahmen genau nach, wie die Neuronen im Gehirn zusammenarbeiten, Informationen austauschen, Vorhersagen treffen und Muster erkennen. Diese neuen neuronalen Netze werden als „spiking“ bezeichnet und stellen die am stärksten bio-inspirierte (dritte) Generation künstlicher neuronaler Netze dar. Der Einsatz des Chips bietet eine Reihe von Vorteilen: Er verbraucht 100-mal weniger Energie als herkömmliche Anwendungen und arbeitet ohne jegliche Latenzzeit, was eine fast sofortige Entscheidungsfindung ermöglicht.

Sicherheit

Trotz aller Rechenpower – größte Herausforderung beim Einsatz von KI in autonomen Fahrzeugen ist das sichere Erkennen und Interpretieren von Situationen, sodass richtige Entscheidungen getroffen werden können. Und als ob das nicht herausfordernd genug wäre, müssen KI-Systeme auch noch vorsätzliche Attacken kompensieren können, die speziell darauf abzielen, das KI-System zu stören und sicherheitskritische Funktionen zu unterbrechen. Beispiele für solche Angriffe sind das Aufbringen von Farbe auf der Straße, um die Navigation zu verfälschen, oder Aufkleber auf einem Stoppschild, um dessen Erkennung zu verhindern. „Beim automatisierten Fahren besteht die Möglichkeit, dass das System die Umwelt schon bei geringen Abweichungen nicht mehr korrekt wahrnimmt“, betont Richard Goebelt, Bereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband.

Derartige Abweichungen entstehen auch bei schlechtem Wetter. „Wetterbedingungen wie Regen, Nebel oder Schnee können beispielsweise dazu führen, dass sich ein autonomes Auto vor dem Abbiegen auf der falschen Spur befindet oder an einer Kreuzung aufgrund der ungenauen Positionierung zu spät anhält“, erklärt Yasin Almalioglu vom Department of Computer Science an der Universität Oxford.

Um dieses Problem zu überwinden, entwickelten Almalioglu und seine Kollegen ein neuartiges, selbstüberwachtes Deep-Learning-Modell für die Ego-Motion-Schätzung – eine entscheidende Komponente des Fahrsystems eines autonomen Fahrzeugs, die die Position relativ zu den beobachteten Objekten schätzt. Das Modell kombiniert detailreiche Informationen von visuellen Sensoren (die durch widrige Bedingungen gestört werden können) mit Daten aus wetterunabhängigen Quellen (wie Radar), sodass die Vorteile beider Systeme entsprechend der unterschiedlichen Wetterbedingungen genutzt werden können.

Soziale Kompetenz

Doch ein KI-System im hochautomatisierten Auto muss nicht nur die Umgebung erfassen, sondern auch das Handeln der anderen Verkehrsteilnehmer einschätzen können. Dazu muss es erkennen, welche Passanten relevant werden könnten, um deren Verhalten zu erfassen und zu deuten. Den Prototyp eines Systems, das mit künstlicher Intelligenz genau das leisten soll, hat das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe vorgestellt.

„Wir haben mittlerweile einen Forschungs-Prototypen umgesetzt, der abschätzt, ob ein Fußgänger die Straße überqueren möchte, seine Gesten analysiert und somit die Grundlage für die Interaktion schafft“, erklärt Manuel Martin vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB. Das System besteht aus einer Stereokamera, die räumlich sehen und somit die genaue Stellung von Passanten erfassen kann, und einem KI-Algorithmus, der die Positionen der Gliedmaßen erfasst und daraus Schlüsse zieht.

TÜV für KI

Um die Sicherheit von KI-Systemen in automatisierten Fahrzeugen sicherzustellen, fehlen laut Richard Goebelt heute noch entsprechende Standards und Normen, nach denen die KI-Anteile und die verwendete Datenbasis geprüft und zertifiziert werden kann.“ Vorschläge für die Entwicklung dieser Standards treibt der TÜV-Verband unter anderem in der International Alliance for Mobility Testing and Standardization (IAMTS) voran. „Es muss technische und digitale Verfahren dafür geben, mögliche Fehlfunktionen zu entdecken, bevor die Fahrzeuge auf den Markt kommen.“

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