Der gesamte Mobilitätssektor ist umfassenden Veränderungen unterworfen. Elektrifizierung, Autonomie und Sharing-Economy verändern sowohl Fahrzeuge als auch Nutzerverhalten und ganze Geschäftsmodelle.
Elektrofahrzeug-Start-ups sind aus der Bedeutungslosigkeit zu einigen der wertvollsten Unternehmen der Welt geworden. Fahrer wurden beim Schlafen am Steuer von selbstfahrenden Fahrzeugen erwischt und fliegende Elektrotaxis haben begonnen, die Seiten der Science-Fiction zu verlassen. Kaum ein Sektor befindet sich momentan in so einem umfassenden Umbruch wie die Mobilität.
Übergreifende Transformation
Von den disruptiven Änderungen sind sowohl der Straßen- als auch der Schienen-, Luft- und Wasserverkehr betroffen. Digitalisierung und Dekarbonisierung verändern Verkehrsmittel und Infrastruktur. Die Entwicklung betrifft nicht nur einzelne Fahrzeuge; immenses Potenzial für die Zukunft bietet auch die Vernetzung von Verkehrsmitteln unterschiedlichster Art sowohl untereinander als auch mit Verkehrsleitsystemen und Serviceanbietern.
„Durch die Verbindung von automatisiertem Fahren und vernetzten Systemen werden zukunftsfähige und nachhaltige Mobilitätssysteme designt. Noch mehr als bereits in den vergangenen Jahren ist das Know-how in den Bereichen Elektrotechnik und Informatik das Schlüsselelement für die erfolgreiche Transformation,“
sagt Prof. Dr. Florian Lang, Leiter des Studiengangs Intelligente Mobilitätssysteme an der HTWG Hochschule Konstanz. Das rasante Tempo des Wandels wurde nicht zuletzt durch Technologiesprünge bei den zugrunde liegenden Komponenten und Materialien ermöglicht, von Batterietechnologie mit immer höherer Leistungsdichte bis zu intelligenter Umfeldsensorik.
Emissionsfrei in die Zukunft
Für die immensen Umwälzungen im Mobilitätsbereich sind zum größten Teil der Klimawandel und die damit verbundene Abkehr von fossilen Brennstoffen verantwortlich. Momentan ist der Verkehr von allen Sektoren am stärksten noch auf fossile Brennstoffe angewiesen. Allein in 2021 wurden laut der Internationalen Energieagentur 7,7 Gigatonnen CO2 durch den Personen- und Güterverkehr emittiert – das sind 37 Prozent der CO2-Emissionen aller Endverbrauchssektoren. Doch die Regierungen weltweit haben bereits begonnen, diese Abhängigkeit aktiv zu vermindern.
In der Europäischen Union beispielsweise dürfen ab 2035 nur noch emissionsfreie Pkws zugelassen werden. Ebenso in Kalifornien und Großbritannien. Selbst China, der größte Automobilmarkt der Welt, will ab 2035 nur noch umweltfreundliche Fahrzeuge zulassen. Damit werden Elektromotoren zur vorherrschenden Antriebsart in der Mobilitätswelt. Nicht nur beim Auto – In der Schifffahrt belaufen sich die Lieferungen von Elektrofähren laut IDTechEx inzwischen auf rund 80 Megawattstunden pro Jahr. Die Kosten für Batteriepacks sind auf unter 600 US-Dollar pro Kilowattstunde gefallen, die Energiedichte hat sich verbessert und Innovationen im Wärmemanagement haben die Sicherheit erheblich erhöht.
Ähnliche Gründe treiben die Investitionen in elektrische Flugtaxis weiter in die Höhe: American Airlines, UPS oder Airline Saudia haben bereits Vorbestellungen aufgegeben. Der europäische Hersteller Volocopter will seinen Flugtaxi-Service zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris aufnehmen. Die Elektrifizierung bringt einen weiteren Vorteil mit sich: Der urbane Verkehr wird dadurch leiser und sauberer – und immer gesünder für die Bewohner.
Urbanisierung prägt Mobilitätstrends
Die Urbanisierung der Weltbevölkerung ist ebenfalls maßgeblich für die Veränderungen in der Mobilität verantwortlich. 2030 werden voraussichtlich mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Die urbanen Mobilitätstrends der jüngeren Generationen spiegeln eine wachsende Präferenz für das Fahrrad, das Zu-Fuß-Gehen, öffentliche Verkehrsmittel und gemeinsam genutzte Mobilitätsdienste, also eine Abkehr vom Gebrauch eines eigenen Autos, wider.
Experten erwarten, dass das Sharing elektrischer, autonomer Autos Teil eines größeren integrierten, multimodalen Ökosystems wird, bei dem der Schwerpunkt auf hochgradig individuellen, nahtlosen und bedarfsgerechten Transportdienstleistungen liegt. Dazu gehören auch Last-Mile-Lösungen wie zum Beispiel Drohnen oder die Micro-Mobility innerhalb von Städten.
Autonome Fahrzeuge verändern Gewohnheiten
IDTechEx schätzt, dass kommerzielle autonome Autos oder Robotaxis bereits im Jahr 2024 marktreif sein werden. Mit autonomen Fahrzeugen werden sich die Transportgewohnheiten der Verbraucher grundlegend verändern: Derzeit verursacht der Mensch, in diesem Fall der Fahrer, die höchsten Kosten bei beliebten Ride-Hailing-Diensten wie Uber oder Lyft. Sie entfallen bei Robotaxis, sodass deutlich günstigere Mobilitätsdienste möglich sind.
IDTechEx geht davon aus, dass der Markt hierfür mit durchschnittlich 30 Prozent pro Jahr wachsen wird. Der private Autobesitz wird für die nächsten Generationen ein Relikt der Vergangenheit sein. Das bringt jedoch auch gewaltige Veränderungen für die Autohersteller mit sich: Da ein autonomes Auto mehrere Personen pro Tag bedienen kann, wird die Anzahl verkaufter Autos sinken, selbst wenn die Summe der weltweit gefahrenen Kilometer steigt. Kompensieren könnten die Hersteller das durch dann mögliche neue Geschäftsmodelle für innovative Services. Digitale Ökosysteme, in die Kunden, Händler und Partner integriert werden, stehen bei fast allen Herstellern ganz weit oben in der Priorität.
Damit ist Mobilität viel mehr als die reine Bewegung im Raum, davon ist zumindest Zukunftsforscher und Stadtgeograf Dr. Stefan Carsten überzeugt:
„Mobilität ist in Wirklichkeit die treibende Kraft sozialer und ökonomischer Existenz, im physischen und im virtuellen Raum. Sie bestimmt, mit welchen Verkehrsmitteln wir reisen und wie unsere Reise aussieht. Sie definiert die Konzepte und die Antriebsarten der Zukunft und steht im Mittelpunkt der wichtigsten Innovationen unserer Zeit. Innovationen, die wir dringend brauchen, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und des Klimawandels nachhaltig erfolgreich zu gestalten.“