Elektronik-Logistik neu definiert

Thorsten Eyle, Director LogON bei EBV Elektronik, erläutert die neuen Logistik-Services von EBV Elektronik und wie sie dazu beitragen können, die Halb­leiter-Lieferketten resilienter zu machen.

Die Halbleiterindustrie kommt derzeit kaum nach, die ­große Nachfrage nach Halbleiterprodukten zu stillen. Eine Ausweitung der Produktionskapazitäten wird zwar bereits angegangen, aber erst in einigen Jahren ­Wirkung zeigen. Daher fordern Branchen-Experten parallel dazu, die Lieferketten zu optimieren und resilienter zu ­gestalten. Wie das aussehen kann und was ein Distributor wie EBV ­Elektronik dazu beitragen kann, erklärt Thorsten Eyle. Er leitet bei EBV Elektronik den neuen Geschäftsbereich LogOn, mit dem der Halbleiter-Distributor die verschiedensten Logistik-Services für seine Kunden bündelt. 

Was genau ist LogOn eigentlich?

Thorsten Eyle: LogOn – die Kurzform für Logistics Only – ist ein Beispiel für die Innovation bei EBV Elektronik. Als eigene „Sales Region“ sind wir die Spezialisten bei EBV für komplexe Logistik und Fulfillment-Kunden. Wir haben ­LogOn aufgrund der Veränderungen und Entwicklungen im Distributionsgeschäft gegründet: Wir waren bis dato rund 50 Jahre als reiner Demand Creation Distributor im Markt bekannt. Doch in den letzten Jahren haben sich ­immer mehr Hersteller entschieden, die Demand Creation selbst direkt mit dem Kunden zu machen. Das müssen wir natürlich akzeptieren, sehen darin aber auch eine Chance, die wir mit LogOn ergriffen haben. Hersteller und Kunden benötigen am Ende einen Partner für die reine Logistik und die damit verbundenen Dienstleistungen – und den finden sie jetzt bei uns.

Was braucht man – neben einer höheren Produktion – um die Halbleiter-Liefer­ketten unempfindlicher zu machen?

T. E.: Dafür ist eine komplette Transparenz beim Daten­austausch in elektronischer Form unerlässlich. ­Zudem muss der Kunde langfristiger agieren – eine Auftrags­erteilung der Kunden über einen Zeitraum von größer zwölf Monaten bietet deutlich mehr Planungssicherheit. Aber auch Langzeit-Vereinbarungen über einen Zeitraum von drei Jahren in der Dreiecksbeziehung Kunde, ­Hersteller und LogOn mit einem fixierten Mengengerüst beziehungsweise einer Kapazitätsreservierung können eine Lösung sein.

Eine scheinbar logische Konsequenz ­wä­ren auch Pufferlager für HalbleiterProdukte … 

T. E.: Wir nennen diese Art von Pufferlager „Security Stock“. Das heißt, wann immer es beim Kunden zu einer Line-down-Situation kommt, kann er auf die Ware zurückgreifen und die Produktion fortführen.

Ist das überhaupt so ohne weiteres ­möglich – angeblich können Halbleiter doch nicht unbegrenzt gelagert werden? 

T. E.: Die meisten Kunden haben ein Datecode-Limit von zwölf Monaten hinterlegt … Aber natürlich kann die Ware auch darüber hinaus verwendet werden. In unserem ­Lager haben wir darüber hinaus das FIFO-Prinzip realisiert, das heißt, die Ware „dreht“ sich permanent. Ab ­Sommer 2022 bieten wir bei EBV Elektronik zudem gemeinsam mit ­unserem Schwesterunternehmen Avnet Logistics in Poing Long-Term-Storage an: Das Konzept erlaubt eine Bevorratung von bis zu zehn Jahren.

Hat EBV Elektronik ein eigenes Lager für HalbleiterProdukte? 

T. E.: EBV Elektronik bezieht alle Waren komplett aus dem eigenen Lager Poing bei München – und damit auch LogOn.

Welche Services gehören noch zum LogOn-Angebot?

T. E.: Wir bieten sämtliche Logis­tik­­leistungen an, die der Kunde von EBV Elektronik kennt. Dazu gehören zum Beispiel das Pufferlager, ­Forecast Management, ­End-of-Line-Logistik und Langzeit-Einlagerung, Labelling und Programmierung. Dazu haben wir eine eigene Preisliste für Zusatzleistungen, bei der der Kunde ganz individuell auswählen kann, was er an zusätzlicher Logistik benötigt.

Und im Zusammenhang mit unserem Storage-Angebot ­bieten wir auch ein Peak Management. Dabei bevor­raten wir einen bestimmten Prozentsatz der Jahresmenge der benötigten A-Teile. Die Menge wird gemeinsam mit dem Kunden definiert. Im Rahmen des Peak Managements nutzt der Kunde unser Lager, um Bedarfsspitzen aus­zugleichen. Teilweise stellt er die Ware auch seinen Dienstleistern zur Verfügung, um einen Produktionsstopp zu verhindern.

Wie kommt das Service-Angebot von ­LogOn an? Anders gefragt: Wie laufen die ­Geschäfte?

T. E.: Von 2020 auf 2021 konnten wir das Ergebnis verdoppeln – dank der neuen Lösungen wie SPOC und TAM to DTAM. Für 2022 sehen wir bislang gute Chancen um weitere 30 Prozent zu wachsen.

Was ist unter SPOC und TAM to DTAM zu ­verstehen?

T. E.: Es gibt Kunden, die nur mit Auftragsfertigern, den sogenannten EMS, arbeiten. Sie haben dabei keine Transparenz, welche Mengen der EMS bei welchem Lieferanten bestellt hat. SPOC – was Single Point Of Contact heißt – ist dafür eine Alternative: Alle Bestücker werden projekt­bezogen via LogOn bedient. Das heißt, wir bündeln die Bedarfe der Fertiger unter dem LogOn-Dach mit entsprechenden Vorteilen bei der Warenverteilung nach Vorgabe und Priorität des Endkunden. 

Dank SPOC interagieren LogOn-Kunden also nur mit einer einzigen Anlaufstelle, über die sie vollständige Trans­parenz und ständige Aktualisierungen erhalten. Sie ­müssen sich nicht mehr mit zahlreichen Ansprechpartnern an verschiedenen Standorten auseinandersetzen oder unein­heitliche Informationen aus verschiedenen Quellen ­erhalten. Alles wird in einer gestrafften und ­kohärenten Art und Weise bereitgestellt, die den Entscheidungs­prozess erleichtert und zur Steigerung der Effizienz ­beiträgt. Kurz gesagt, sie können das ­Management der Lieferketten ihrer EMS-Partner ­abgeben und damit ihre eigenen Beschaffungsabteilungen deutlich entlasten.

Und was bedeutet TAM to DTAM?

T. E.: Viele Hersteller stehen in einer direkten Geschäfts­beziehung zum Kunden. Wenn sie das aber aus logistischer Sicht nicht mehr bewältigen können, können wir sie unterstützen: Mit TAM to DTAM – also Total ­Available ­Market to Distribution Total Available Market – können sie ihr ­Direktgeschäft zu uns zu transferieren. LogOn hat dazu ein Setup erstellt, bei dem sowohl Kunden als auch Hersteller 100 Prozent Transparenz erhalten. Das ­gesamte TAM-to-DTAM-Konzept haben wir dazu elektronisch ­umgesetzt, um dem Anspruch der Digitalisierung gerecht zu werden. Am Ende entlasten wir damit auch den Hersteller, denn er kann sich auf seine Kernkom­petenz – die Herstellung der Bauteile – konzentrieren und wir übernehmen die Supply Chain für ihn.

 

„Hersteller und Kunden benötigen am Ende einen Partner für die reine ­Logistik und die damit verbundenen Dienstleistungen – und den finden sie jetzt bei uns.“

 

Kann das LogOn-Modell denn ­tatsächlich zur Entspannung der Supply Chain ­bei­tragen?

T. E.: Mit unserer systemischen Umsetzung auf jeden Fall, zumindest was die Zuteilung der Ware angeht. ­Zudem ­ermöglichen die fortschrittlichen Tools, die unser Team einsetzt, eine weitaus genauere Vorhersage des künftigen Komponentenbedarfs. Mögliche Risiken von Engpässen können erkannt und angegangen werden, bevor sie ­problematisch werden. Darüber hinaus bedeutet die semi-dynamische Überwachung der Verbrauchsmengen, dass notwendige Änderungen der Bestandsmengen frühzeitig vorgenommen werden können.

Wenn wir uns aber die letzten zwei Jahre ansehen, ­müssen wir auch ehrlich sein: Wenn einfach zu wenig produziert wird, kann auch LogOn nichts machen.

Zum Schluss noch die Frage, die wohl viele Firmen – und Verbraucher – interessiert: Wie lange werden Halbleiter noch ­Mangelware sein?

T. E.: Das ist in der Tat die Frage die uns alle beschäftigt. Ich glaube es wird bis 2023 dauern. Die ­Begründung liegt auf der Hand: Weltweit steigen die ­Bedarfe pro Jahr – und das in allen Bereichen, vom Automotive Sektor bis zu den ­Consumer Electronics. Gleichzeitig werden die ­erweiterten Produktionskapazitäten erst 2023 Wirkung zeigen.