Kleiner, Stärker, Preiswerter

Lange Zeit beherrschte das Moore’sche Gesetz die ­Anforderungen an die Entwicklung neuer Mikrochips. Doch neue Technologie-Trends wie das Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz stellen die Halbleiterindustrie vor neue ­Herausforderungen, während gleichzeitig die Miniaturisierung der Chip-Strukturen zunehmend an ihre Grenze stößt.

Seit es die Halbleitertechnologie gibt, haben sich die Anforderungen der Kunden im Großen und Ganzen nicht wirklich geändert: Immer besser, schneller und billiger sollen die Mikrochips sein. In der Tat hat die Halbleiterindustrie große Fortschritte bei der Entwicklung ihrer Halbleiterprodukte gemacht. Konsequent hat sie das Moore’sche Gesetz, nach dem sich die Anzahl der Schaltkreise auf einem Mikrochip alle zwei Jahre verdoppelt, weiter umgesetzt. Kleinere Chips mit dichter gepackten Transistoren ermöglichen die Herstellung kleinerer, leistungsfähigerer elektronischer Geräte zu niedrigeren Preisen. Ein in der Branche oft zitierter Vergleich verdeutlicht diese Fortschritte sehr anschaulich: Wenn die Automobilindustrie in den letzten 30 Jahren ähnliche Leistungsverbesserungen erzielt hätte, würde ein Rolls-Royce nur 40 Dollar kosten und mit einer Gallone Benzin achtmal die Erde umrunden können – mit einer Höchstgeschwindigkeit von 2,4 Millionen Meilen pro Stunde. 

More Moore oder More Than Moore?

Doch die Halbleiterentwicklung stößt zunehmend an die Grenzen des Moore’schen Gesetzes: Inzwischen nähern sich die Strukturen auf den Chips atomaren Größenordnungen und lassen sich nicht weiter reduzieren. Eine Lösung ist der 3D-Ansatz: Dabei werden Schichten von Transistoren übereinandergestapelt, wodurch sich die Anzahl der Bauteile pro Quadratmillimeter noch einmal weiter erhöhen lässt, selbst wenn die physikalischen Abmessungen in der Ebene nicht mehr weiter reduziert werden können. Dabei könnten die Hersteller auch verschiedene Halbleitermaterialien übereinanderschichten, zum Beispiel auf eine Lage mit herkömmlichen Silizium-Transistoren eine Ebene aus Verbindungshalbleitern wie Indiumgalliumarsenid aufbringen. Sie können spezielle Aufgaben übernehmen, wie eine besonders ­schnelle Signalverstärkung oder die Detektion von Licht. In dieser Integration zusätzlicher Funktionen in die Chips sehen viele Experten die Alternative zur Fortführung des Moore’schen Gesetzes. Ihre Devise lautet: Statt „More ­Moore“ (weitere ­Miniaturisierung) lieber „More than Moore“ (die Vereinigung von digitalen und nicht digitalen Funktionen auf demselben Chip). Zu finden sind derartige Lösungen bereits heute in vielen Bauelementen, zum Beispiel bei mikroelektromecha­nischen Systemen (MEMS) oder bei Funk- und Analog/Mixed-Signal-Technologien (RF/AMS).

Neue Lösungen für KI-Anwendungen 

Viele der Innovationen in der Halbleiterindustrie wurden durch zwei übergeordnete Technologietrends angestoßen: Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge.

KI stellt die Halbleitertechnologie vor völlig neue Herausforderungen, denn die dabei verarbeiteten und gespeicherten Datenmengen sind enorm groß. Um sie zu bewältigen, ist eine verbesserte Halbleiterarchitektur notwendig. Dabei geht es weniger um die Verbesserung der Gesamtleistung oder Rechenpower, sondern vielmehr um die Beschleunigung des Datentransfers aus und in den Speicher sowie um effizientere Speichersysteme. So wurden spezielle neuro­nale Chips entwickelt, die wie die Synapsen des menschlichen ­Gehirns funktionieren. Anstatt ständig Signale zu senden, ­arbeiten sie nur bei Bedarf. Zudem verarbeiten KI-Chips ­Daten in vielen parallelen Prozessen, nicht wie bisherige ­Prozessoren hintereinander weg. Daneben kommen verstärkt nichtflüchtige Speicher bei KI-Halbleitern zum Einsatz. Sie können Daten auch ohne ständige Stromzufuhr speichern. Die Kombination dieser nichtflüchtigen Speicher mit KI-Prozessoren auf einem „System-on-a-Chip“ bietet eine Lösung für die ­Anforderungen moderner KI-Applikationen.

Mikrochips im Netz der Dinge

Basis des Internets der Dinge sind kleine Mikroprozessoren, die in Gegenstände eingebaut sind und über Funk kommunizieren. Über integrierte Sensoren sind diese ­Mini-Computer in der Lage, ihre Umgebung wahr­zunehmen, die Informationen weiterzuverarbeiten und mit ­anderen Objekten oder dem Internet zu teilen.

Das erfordert Mikrocontroller, die auf begrenztem Raum Sensoren, Prozessoren, Speicher, Wi-Fi-Fähigkeit, mikro­elektromechanische Systeme und eine Reihe von ­analogen und digitalen Schaltungen integrieren. Gleichzeitig soll der Stromverbrauch möglichst niedrig sein, da die (größtenteils mobilen) Objekte nicht an ein Stromnetz angeschlossen werden können oder aber ein häufiger Batterietausch zu aufwändig und zu teuer wäre. Beispielsweise wird derzeit überlegt, das heute üblicherweise in integrierten Schaltkreisen verwendete Basismaterial Silizium durch ein neues Halbleitermaterial wie Galliumarsenid zu ersetzen.

Da viele IoT-Geräte zudem raue Umgebungsbedingungen aushalten müssen, stellt der Einsatz hohe Anforderungen an die Robustheit der Halbleiterprodukte, zum Beispiel in puncto Vibration, Temperatur-, Wasser- und/oder Salzresistenz. 

Hohe Leistung für 5G 

Sein volles Potenzial wird das IoT aber erst mit dem ­neuen Mobilfunkstandard 5G ausschöpfen können. Mit ­hoher Bandbreite und Übertragungsqualität sowie geringer ­Latenz stellt 5G in vielen Bereichen die technische Grundlage für den nächsten Entwicklungsschritt des IoT dar. Eine Lösung hierfür bietet Hochfrequenz- und Leistungselektronik auf der Basis von Galliumnitrid (GaN) oder Siliziumkarbid (SiC). Diese sogenannten Wide-Bandgap-Halbeiter (WBG) zeichnen sich unter anderem durch eine deutlich höhere Energieeffizienz aus.

Energieeffiziente Leistungselektronik

Zehnmal kleiner als herkömmliche Silizium-Halbleiter können WBG-Halbleiter für die Leistungselektronik gefertigt werden und verlieren bis zu 50 Prozent weniger Wärme. Zudem können Transistoren aus WBG-Halbleitern die Schaltfrequenz gegenüber Silizium-Transistoren um bis zu 500 Prozent steigern. Mit diesen Eigenschaften können SiC- und GaN-Halbleiter in vielen Anwendungsgebieten die steigenden Kundenanforderungen erfüllen – von der Elektromobilität über Fotovoltaik-Wechselrichter bis hin zu Schnellladegeräten.