Gemeinsam stark

In der aktuellen Diskussion rund um HalbleiterEngpass und Technologieführung im Mikrochip-Markt scheint es so, als wenn Europa in der HalbleiterBranche nichts zu bieten hätte. Doch dem ist nicht so – auf dem gesamten Kontinent haben sich in den letzten Jahren Cluster ­gebildet, in denen sich Akteure aus den verschiedensten Bereichen der Halbleiterindustrie ­zusammengetan ­haben.

Die Europäische Union sieht in der Stärkung der Halbleiterkompetenz in Europa eine Investition in eine zentrale Zukunftstechnologie und einen wichtigen Schritt für den Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit. Mit dem “European Chips Act” und dem Förderprogramm „Important Project of Common European Interest” (IPCEI) werden dafür Milliarden in die Hand genommen. 

Bei der aktuellen Diskussion scheint es oftmals so, als wenn Europa mehr oder minder Ödland im Bereich der Halbleiterindustrie wäre. Doch tatsächlich werden immerhin knapp zehn Prozent aller Halbleiter weltweit in Europa produziert. In den vergangenen Jahren hat sich dazu rund um die Halbleitertechnologie eine Cluster-Struktur entwickelt, also regionale Zentren, in denen sich verschiedene Akteure der Halbleiterindustrie angesiedelt haben. Allein elf dieser Cluster-Regionen sind unter dem Dach von Silicon Europe vereint – mit insgesamt rund 2.000 Clustermitgliedern aus Wissenschaft und Industrie.

Chips und mehr aus Sachsen

Der größte Mikroelektronik-Standort in Europa ist dabei „Silicon Saxony“, dessen Kern die vier Halbleiter-Fabs von Globalfoundries, Infineon, Bosch und X-Fab bei Dresden bilden. Laut dem Branchenverband trägt inzwischen ­jeder dritte in Europa produzierte Chip den Aufdruck „Made in Saxony“. Rund um die Fabs haben sich eine Vielzahl von Unternehmen aus den verschiedensten Bereichen der Halbleiterindustrie zusammengefunden, etwa 2.500 sächsische Unternehmen mit insgesamt 70.500 Mitarbeitern sind auf allen Stufen der Wertschöpfungskette aktiv. Sie profitieren dabei auch vom starken akademischen ­Umfeld im Freistaat: Vier Universitäten, fünf Fachhochschulen, neun Fraunhofer-, drei Leibniz-, ein Helmholtz- und zwei Max-Planck-Institute sind auf dem Gebiet Mikroelektronik bzw. Informations- und Telekommunikationstechnik aktiv – und nicht selten sogar weltweit führend. Das ­„Silicon ­Saxony“ ist damit Europas größter Mikroelektronik-Standort und der fünftgrößte weltweit. So viel Know-how und Förderung zieht weitere Investitionen an, wie Harald Kröger, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH, erklärt: „In Dresden trifft modernes Unternehmertum auf wissenschaftliche Exzellenz und ­industriepolitische ­Verantwortung“, sagte Kröger. „Bosch hat sich daher ­bewusst entschieden, die größte Einzel­investition in seiner mehr als 130-jährigen Geschichte hier in der Region zu tätigen.“ 2021 nahm das Unternehmen seine neue Halbleiterfabrik in Dresden in Betrieb. Am neuen Standort werden für die wachsenden Anwendungen in der ­Mobilität und im Internet der Dinge Halbleiter auf Basis der 300-Millimeter-Technologie produziert.

Hochland der Mikroelektronik

2021 eröffnete auch Infineon seine neue Hightech-­Chipfabrik für Leistungselektronik auf 300-Millimeter-Dünnwafern, entschied sich aber für den Standort Villach in Österreich. Mit dieser Investition hat der „Silicon Alps Cluster“ eine deutliche Dynamik erfahren. Auch AT&S und AVL in der mobilen Energieversorgung haben hier Großinvestitionen getätigt. „Netzwerke und Cluster sind die Basis für Innovationen, wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen und Unternehmen“, betont Dr. Robert Gfrerer, Geschäftsführer der Silicon Alps Cluster GmbH. Das Silicon Alps Cluster ist ein schnell wachsendes Netzwerk von Unternehmen, Organisationen und Forschungseinrichtungen, das sich der Förderung des Elektronik- und Mikroelektroniksektors im Süden Österreichs widmet. 

Chips von der grünen Insel

Zu den wichtigen Produktionszentren von Halbleitern in der EU gehört auch Irland. Das Land ist seit langem in der Halbleiterindustrie vertreten: Schon 1976 eröffnete ­Analog Devices eine Fabrik in Limerick, mit der Eröffnung der europäischen Produktions- und Technologiezentrale von Intel im Jahr 1989 in der Nähe von ­Dublin hat sich die Branche dann endgültig auf der ­Grünen Insel ­etabliert. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass das irische Steuer­system lange besonders wettbewerbsfähig ausgestaltet war. I­nzwischen hat sich auch hier mit MIDAS ein industriegeführtes Cluster ­gebildet, das sich aus rund 70 ­Industrie-, Bildungs-, ­Forschungs- und Regierungs­einrichtungen zusammensetzt. Die Mitglieder sind im ­gesamten ­Spektrum der ­Mikro- und ­Nanoelektronikbranche in Irland tätig – Design, ­Beratung, Technik, Forschung und Herstellung. 

Branche mit Gewicht

Heute bietet das europäische Halbleiter-Ökosystem rund 200.000 direkte und bis zu 1.000.000 induzierte ­Arbeitsplätze in Systemen, Anwendungen und Dienstleistungen in Europa. Insgesamt trägt die Mikro- und ­Nanoelektronik laut der European Semiconductor ­Industry ­Association (ESIA) zur Erzeugung von mindestens zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Europa bei – auch ein ­Erfolg der starken Halbleiter-Cluster. „Die Zusammenarbeit zwischen der Industrie und den Regierungen ist von entscheidender Bedeutung für den weiteren Erfolg“, so Kurt ­Sievers, Präsident der European Semiconductor ­Industry Association (ESIA).